Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Gegenwind“ des LSVD Saar und in Zusammenarbeit mit SPDqueer Saarland fand am 25. Oktober 2024 ein Vortrag zu „Antiqueerer Ideologie“ im House of Resources Saar statt. Tim Stefaniak, Vorstandsmitglied des LSVD Saar, und Julia Zimmermann, Vorsitzende von SPDqueer Saar, eröffneten die Veranstaltung und übergaben dann das Wort an die Referentin Hannah Engelmann-Gith. Die politische Bildnerin und Autorin des Buches „Antiqueere Ideologie“ sprach in ihrem Vortrag über rechte Identitätspolitik, Queerfeindlichkeit und gesellschaftliche Vorurteile.
Der Vortrag gliederte sich in drei zentrale Themenbereiche. Zunächst beleuchtete Engelmann-Gith das antiqueere Phänomen der „Demo für alle“, einer Bewegung, die 2012 in Frankreich gegründet wurde und damals massive Proteste gegen die „Ehe für alle“ mobilisierte. Ähnliche Bewegungen haben sich inzwischen in vielen Ländern etabliert und sind transnational vernetzt. Bemerkenswert an der Bewegung ist die Vielfalt ihrer Bündnispartner:innen, die zum Teil widersprüchliche politische und gesellschaftliche Positionen vertreten, sich aber in ihrem Einsatz für traditionelle Familienbilder (auch „Familienmainstreaming“ genannt) einig sind. Die Referentin ging außerdem auf die zunehmenden transfeindlichen Tendenzen innerhalb feministischer Gruppen ein, insbesondere bei sogenannten „TERFs“ (trans-exclusionary radical feminists) und deren Nähe zur neuen Rechten.
Im zweiten Themenblock ordnete Engelmann-Gith queerfeindliche Phänomene theoretisch und ideologisch ein, indem sie zunächst den Begriff „Queer“ definierte. Sie hob drei zentrale Aspekte hervor: Queer als Empowerment, Queer als Normalisierung und Queer als Dekonstruktion. Diese drei Perspektiven stehen jedoch im Widerspruch zueinander und bilden ein „queeres Trilemma“, das sich auch in der Diskussion über Konversionstherapien im Publikum widerspiegelte – eine Kontroverse, die die Referentin ansprach.
Im letzten Abschnitt widmete sich Engelmann-Gith den Strategien gegen antiqueere Ideologien. Sie betonte die Bedeutung von Bündnissen, etwa das queerfeministische Bündnis „My body my choice“ oder Kooperationen mit medizinsch-psychologischen Fachgesellschaften. Dabei betonte Hannah Engelmann-Gith: „Bündnisse sind nie perfekt und permament, sondern lokal, situativ und zielgerichtet als strategisches Werkzeug einsetzbar“, was sich auch bei den Anti-AfD-Demos Anfang des Jahres zeigte. Hier versammelten sich Menschen mit unterschiedlichen, teils widersprüchlichen Haltungen. Tim Stefaniak verwies in diesem Zusammenhang auf das „Bündnis für reproduktive Selbstbestimmung Saar“, das jährlich gegen den „Marsch für das Leben“ demonstriert.
Eine weitere Maßnahme gegen antiqueere Ideologie auf struktureller Ebene sei, so Tim Stefaniak, die Erweiterung von Artikel 3 im Grundgesetz um den Begriff der sexuellen Identität, um so den Diskriminierungsschutz für queere Menschen verfassungsrechtlich zu verankern.
Zum Abschluss verwies Hannah Engelmann-Gith auf ihr Buch „Antiqueere Ideologie. Die Suche nach identitärer Sicherheit – und was politische Bildung dagegen ausrichten kann“, das im Checkpoint des LSVD Saar ausgeliehen werden kann.
Die diesjährige Demo gegen den „Marsch für das Leben“ findet am 16. November 2024 um 10.30 Uhr in der Heinestraße in Saarbrücken statt. Weitere Informationen gibt es unter www.profamilia.de.