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Nimm das Leben leicht. Und deine Pflichten ernst.
Dein Vater. 2/1.37.

Diesen Satz schrieb Willi Ermann 1937 in das Poesiealbum seiner Tochter Liselotte, genannt Lilo.

Das Poesiealbum befindet sich heute in der Internationalen Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem in Israel. Liselotte und ihre Eltern wurden nach Ausschwitz deportiert und ermordet. Das Poesiealbum bewahrte der Großvater auf, der den Krieg in einem Kloster versteckt überlebte und später nach Israel auswanderte. Sein Enkel übergab das Poesiealbum später an die Gedenkstätte Yad Vashem.


Das Poesiealbum kehrte im Januar 2023 nach Deutschland zurück, im Rahmen der Ausstellung „Sechzehn Objekte“ im Deutschen Bundestag. Eine Ausstellung, die daran erinnert, dass in jedem Ort in Deutschland durch die Nationalsozialisten Menschen ermordet und verfolgt wurden. Die sechzehn Objekte kommen aus je einem der heute sechzehn Bundesländern Deutschlands.


Lilo Ermann wuchs in Saarbrücken auf, sie lebte mit ihren Eltern in der Karcherstraße 6. Als die Verfolgung durch die Nazis zunahm, flüchtete die Familie 1938 nach Frankreich. 1943 wurde die Familie von Drancy nach Auschwitz deportiert und dort kurze Zeit später ermordet. Das Poesiealbum ist nun als Gedenkbuch erstmalig nach Saarbrücken zurückgekehrt. Ein Alltagsgegenstand, der dadurch an Bedeutung gewinnt, dass er an Menschen erinnert, deren Leben vorher selbstverständlicher Teil der Gesellschaft war und durch den Holocaust zerstört wurde.


Bei der Ausstellungseröffnung am 13. November 2023 im Saarbrücker Rathausfestsaal erinnerte Oberbürgermeister Uwe Conrad in seinem Grußwort zur Ausstellungseröffnung an das furchtbare Geschehen in den Zeiten des Nationalsozialismus und wies auch auf die die beklemmende Aktualität des Themas hin. Denn wieder werde jüdisches Leben bedroht, erfolgte am 7. Oktober 2023 ein furchtbarer Anschlag auf jüdische Menschen. Diesen Menschen gehöre unsere ganze Solidarität und unser Mitgefühl. Und er erinnerte an Willi Graf, an seinen Satz: „Jeder trägt die ganze Verantwortung.“ Auch in Saarbrücken gebe es weiterhin Antisemitismus, dies habe das Anzünden der israelischen Flagge und auch das Sprühen von Hakenkreuzen an das Rathaus gezeigt. Es gelte daher, die Gesellschaft zu stärken und Antisemitismus entgegen zu treten.

Der Eröffnungsrede von Oberbürgermeister Conrad folgten ein Grußwort der Vorsitzenden der Synagogengemeinde Saar, Ricarda Künger sowie von Marco Hehne, Bundesministerium der Finanzen. Musikalisch begleitet wurde die Eröffnung von Marina Kavtaradze (Klavier) und Christine Hüls (Flöte). Sehr berührend die Schüler*innen der Schule im Rastbachtal, die aus dem Poesiealbum vorlasen. Kuratorin Frau Ruth Ur, Geschäftsführerin des Freundeskreises Yad Vashem e. V. in Berlin „Lilos Poesiealbum führt uns zurück in eine Welt, die zerstört worden ist. Indem wir Gegenstände aus der Sammlung von Yad Vashem mit ihren Ursprungsorten in Deutschland in Verbindung bringen, versuchen wir, das Interesse an einer vergessenen Person und Gemeinschaft zu wecken.“


Die Ausstellung findet noch bis zum 24. November 2023 im Hauberrisser Saal im Rathaus in Saarbrücken statt.
Sie wird begleitet von einem umfangreichen Programm, dazu gehören Rundgänge auf den Spuren von Lilo Ermanns für Schulklassen, Synagogenführungen, eine Spurensuche nach jüdischem Leben in Saarbrücken vor und nach dem Holocaust, Lesungen, Filme sowie Schreibwerkstätten.