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AWO Fankontaktstelle „INNWURF“ Saarbrücken

Seit 22 Jahren gibt es die AWO Fankontaktstelle „INNWURF“ – es ist eines der ältesten Fanprojekte bundesweit. Fanprojekt? Nur von einem „Fanprojekt“ zu sprechen, greift zu kurz. 

„INNWURF“ ist vielmehr eine Institution. Ich spreche mit den beiden Mitarbeitern: Holger Schmidt und Ricardo Wilden. Holger Schmidt hatte bereits Erfahrung in der Fanarbeit beim FSV Frankfurt gesammelt; seit 2016 ist er in Saarbrücken dabei und wurde 2020 Leiter der Einrichtung. Ricardo Wilden hat in Trier Sozialpädagogik studiert und ist seit 2018 pädagogischer Mitarbeiter. Beide Saarländer sind selbstverständlich passionierte Fußballfans. 

Was macht„ INNWURF“? Und wie ist die Zielsetzung? Träger von „INNWURF“ ist die AWO Südwest gGmbH. Das Fanprojekt arbeitet seit vielen Jahren auf Basis des nationalen Konzepts für Sport und Sicherheit und auf Grundlage des Sozialgesetzbuches VIII (§§ 11,13). Zielgruppe sind dabei insbesondere 12 bis 27-jährige Fußballfans; eine der Hauptaufgaben ist dabei die Teilhabe an der Lebenswelt junger Fußballfans. Auch abseits des Spieltages. 

 „Der Fußballkontext dient in erster Linie als Icebreaker“, so Ricardo Wilden. Die Aufgabe sei aber viel breiter als die aufsuchende Arbeit bei den Spieltagen, das Angebot der Fankontaktstelle sehr facettenreich. So unterstützen die beiden z. B. bei Behördengängen oder organisieren Bildungsangebote in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen. Sie legen großen Wert auf die Erreichbarkeit für die Jugendlichen, in Präsenz in der Ziegelstraße aber auch über Social Media.

Ein Punkt ist ihnen besonders wichtig in ihrem Selbstverständnis: „Es geht gerade nicht darum, Betreuer der Jugendlichen zu sein. Dies wird manchmal verwechselt, gerade auch bei Spieltagen, entspricht aber nicht dem Selbstverständnis unserer Arbeit. Vielmehr geht es darum, Ansprechpartner zu sein und Angebote zu machen, die dem Bedarf der Zielgruppe entsprechen.“ so Holger Schmidt, Leiter der Kontaktstelle. 

Der Auftrag sei gerade nicht, den Jugendlichen zu sagen, was sie zu tun oder zu lassen hätten. Vielmehr gehe es darum, nie mit erhobenem Zeigefinger aufzutreten. Es soll deutlich werden: Wir machen euch Angebote, wir unterstützen euch in euren Lebensbereichen auch außerhalb des Fußballkontextes, des Stadionbesuches.

Kernpunkte seien dabei niedrigschwellige Angebote mit dem Ziel, bürokratische Hürden abzubauen, Brücke zu sein, Jugendliche bei alltäglichen Fragen des Alltags zu unterstützen und zu begleiten. Hier spiele auch die Vernetzung und die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen eine große Rolle, zum Beispiel, wenn es um Bildungsangebote gehe. 

Am Spieltag selbst haben die beiden Mitarbeiter vor allem die Rolle der Vermittler. Schon weil Polizei und Verein eine andere Sprache sprechen als junge Fans. Da gilt es zu übersetzen. Erforderlich ist gerade hier ein wirkliches Vertrauensverhältnis. Dieses gilt es herzustellen und ist Grundlage für die Arbeit. 

Worin besteht der Bezug zu demokratischen Prozessen? 

„Jugendliche erleben in ihren Fanstrukturen auch immer sehr unmittelbar demokratische Prozesse“, so Holger Schmidt. „In der Mitgliederversammlung. Wo sie ein Stimmrecht haben. Sie üben sich in Abstimmungen, machen Erfahrungen in demokratischen Prozessen. Sie organisieren tolle Aktionen wie z. B. Blutspendeaktionen oder – jetzt aktuell – eine Spendenaktion für die Ukraine. Wir unterstützen das mit unseren Leitbildern der bunten Fankurve, der Toleranz und einem positiven Miteinander.“ Die Zielsetzung ist immer die Stärkung einer positiven Fankultur in demokratischen Prozessen.

Auch wenn Rassismus und Homophobie im Stadion leider noch immer verbreitet sind, beobachten Schmidt und Wilden auch eine andere Tendenz. So seien junge Fans nach ihrer Beobachtung heute grundsätzlich sensibilisierter als noch vor einigen Jahren – und häufig auch als die ältere Generation.

Werden auch junge Frauen angesprochen? Angesprochen schon, aber nach wie vor leider viel weniger als Männer, auch wenn die WM 2006 dazu beigetragen hat, dass mehr Frauen ins Stadion gehen und in der Fanscene aktiv sind. 

Gibt es auch Hürden bei der Arbeit?

„Die Tatsache, dass wir kein Zeugnisverweigerungsrecht haben, erschwert uns manchmal die Arbeit, das ist ein Problem in der Fansozialarbeit“, so Holger Schmidt. Für dieses setzen sie sich seit langem ein, ähnlich wie auch die Streetworker. 

Wünschenswert sei zudem eine langfristige Sicherung der Förderung und möglicherweise auch eine Erweiterung. Dies böte die  Möglichkeit, nachpersonalisieren und somit Angebote weiter ausbauen zu können.

Auch wünschen sie sich grundsätzlich mehr Beteiligung und Wertschätzung von jungen Menschen. Eine noch stärkere Teilhabe von jungen Fans an Entscheidungsprozessen. Da gebe es viel Potential, welches noch nicht ausreichend genutzt würde.

„Wir sehen jetzt aber erstmal nach der Corona-Zeit einer schöneren Zukunft entgegen, wenn die Fans wieder zurück ins Stadion kommen und unsere Angebote wieder starten können“, so Holger Schmidt.

Kontakt „INNWURF“ 
Ansprechpartner: Leiter Holger Schmidt und Mitarbeiter Ricardo Wilden
Adresse: Ziegelstraße 23 in Saarbrücken, direkt am Stadion